Der BILDHAUER und der DICHTER
Über eine dänische Künstlerfreundschaft
750 Jahre Gelenau: 1273 bis 2023
Unterwegs in Dänemark: Das Land, das historisch durch eine reiche, wechselvolle, ja oft dramatische Gesellschafts-Geschichte geprägt ist – auch mit Blick auf Deutschland. Heute: In Zusammenarbeit und Verbindung mit Deutschland, was letztendlich auch belegt ist durch die Partnerschaft Gelenaus mit Skørping, Rebild-Kommune, Nordjütland.
Das inspiriert, nicht nur das Alltagsleben, sondern auch das Kultur- und Kunstleben der Dänen wahrzunehmen. Ein langfristiges, noch nicht abgeschlossenes Projekt ist dadurch angeregt, entstanden und gereift: Werk und Leben der Weltruhm erlangten dänischen Künstler, Bertel Thorvaldsen (Bildhauer) und Hans Christian Andersen (Dichter), verbunden durch eine vom gegenseitigen Wohlwollen geprägten Künstlerfreundschaft, zu erkunden; Orte und Landschaften ihres Wirkens aufzusuchen; auch Museen in Dänemark, die deren Werke besitzen und präsentieren.
Bertel Thorvaldsen (1770 bis 1844). Kopenhagen. Rom. Mitten im Herzen der dänischen Hauptstadt, neben dem mächtigen Schloss Christiansborg, steht das für das umfangreiche, vielschichtige Werk des Bildhauers 1848 fertig gestellte Thorvaldsen-Museum – ein imposanter, farbenprächtiger und lichtdurchfluteter Museumsbau. Was für ein großartiges bildhauerisches Werk in Marmor und Gips wird hier präsentiert! Die Reliefs, die Statuen Jason, Ganymed, Apollo, Bacchus, Amor, Herkules …, um nur einige zu nennen.
Das Talent Thorvaldsens wird von seinem Vater früh erkannt, so dass er bereits 1781, elfjährig, die Freischule der Königlich Dänischen Kunstakademie besucht. Seine künstlerische Entwicklung vollzieht sich rasant; zahlreiche Auszeichnungen in jungen Jahren belegen das. Ein dreijähriges Stipendium führt ihn 1797 nach Rom; er bleibt bis 1838 – meisterliche Kunstwerke schaffend, für die Mächtigen seiner Zeit. Der Bildhauer kehrt 1838, weltberühmt und hoch Willkommen geheißen (auch durch ein Gedicht von Andersen), nach Kopenhagen zurück, wo er in seiner künstlerischen Tätigkeit nicht erlahmt. Im März 1844 stirbt Thorvaldsen, im Theater der Stadt, vor den Augen des respektvoll ergriffenen Publikums. Im Innenhof des Thorvaldsen-Museums befindet sich das schlichte Grab des Bildhauers.
Wer in Kopenhagen weilt, sollte unbedingt die von Thorvaldsen klassizistisch ausgestaltete Frauenkirche besichtigen, die in dessen Schaffen einen besonderen Platz einnimmt. Der Kirchen-Innenraum in Weiß, überwältigend die überlebensgroßen Statuen des segnenden Christus, des knienden Tauf-Engels und der zwölf Apostel.
Hans Christian Andersen (1805 bis 1875). Odense. Kopenhagen. Weimar. Dresden. Rom … Wer kennt sie nicht, die weltberühmten Märchen des Dänen-Dichters! Das Feuerzeug. Die Prinzessin auf der Erbse. Die kleine Seejungfrau. Des Kaisers neue Kleider. Die Schneekönigin u.v.a. Andersens literarisches Gesamtwerk ist allerdings viel umfassender. Dazu gehören seine meisterhaft geschriebenen Reisebücher, die von der unablässigen Reisetätigkeit des Dichters durch Dänemark und Europa künden. Seine erste Auslandsreise führt ihn 1831 nach Deutschland. Da lebt Goethe noch und es ist wohl Andersens innigster Wunsch, den hochbetagten Geheimrat Goethe und Weimar zu besuchen. Doch er verzichtet darauf; er befürchtet, als noch unbekannter Dichter, am Frauenplan nicht empfangen zu werden. 1844 ist es dann aber soweit: Goethe ist da zwar schon tot, aber Andersen weilt in Weimar. Er wird als großer Schriftsteller unter anderen von Goethes Enkel Walter empfangen; vom regierenden Großherzog und vom Erbgroßherzog. 1846, 1856 und 1857 (zur Einweihung des Goethe-Schiller-Denkmals) besucht er erneut die Dichterstadt. Dass Andersen die Städte Dresden, Meißen, Pirna, Eisleben, Leipzig besucht, im Harz und in der Sächsischen Schweiz weilt, sei noch erwähnt.
Andersen wird 1805 in Odense, Insel Fünen, in ärmlichen Verhältnissen geboren. Bereits als 14-Jähriger verlässt er seine Heimat, flieht regelrecht nach Kopenhagen, um Schauspieler zu werden. Doch seine Begabung ist das Schreiben. Seine erste größere Prosaarbeit Fußreise erscheint 1829, sein erster Gedichtband folgt 1830.
Besucht man die reizende Stadt Odense sollte man eine durch Schritte im Erdboden markierte Fußreise zu den Lebensorten des Dichters unternehmen; auch zum lehrreichen, unterhaltsamen und großartig gestalteten neuen Museum für den Dichter.
Und: Dass Andersen mit Thorvaldsen kurz vor dessen plötzlichen Tod noch tafelte, die Trauerzeremonie sowohl für den Bildhauer 1844 als auch für den Dichter 1875 in der von Thorvaldsen ausgestalteten Kopenhagener Frauenkirche stattfindet, gehört wohl zu den eigenartigsten Geschehnissen in dieser ereignisreichen Künstlerfreundschaft.
Bernd Bräuer, Gelenau
Mehr dazu:
Donath, Matthias, Rotgrüne Löwen. Die Familie von Schönberg in Sachsen. 2014.
Fraustadt, Albert, Geschichte des Geschlechtes von Schönberg meissnischen Stammes. 1878.
Vehse, Eduard, Geschichte der deutschen Höfe seit der Reformation. 1854.