Aus GOETHES Tagebuch 1823

(Auszüge)

Ein Krisenjahr ist 1823. Im Februar erkrankt Goethe lebensbedrohlich am Herzen.
Das sonst so nüchterne Tagebuch nimmt einen ängstlichen Ton an. Tägliche Besuche der großherzoglichen Herrschaften spiegeln die Sorge von außen.
Nach der Genesung im März wird Torquato Tasso gespielt. Im Herbst wiederholt sich die Krise in nur leicht abgeschwächter Form:
Tief beunruhigte Freunde wie Zelter und Wilhelm von Humboldt sitzen an Goethes Krankenbett.
Sie lesen schon die Frucht des Sommers, jene Elegie, in der Goethe seinen Abschied von der Liebe, womöglich von der lyrischen Dichtung einleitet. Zwischen den beiden Gesundheitskrisen lagen Monate hektischer Arbeit, die vor allem der autobiographischen Dokumentensicherung galten, und strahlende Sommerwochen in Böhmen.
Dort erlebt Goethe seine letzte Liebe, für das junge Mädchen Ulrike von Levetzow. Goethe wird wieder jung, „hupft und galoppirt“ auf Tanztees.
Umso trostloser, sehnsüchtiger gerät der Abschied im Gedicht.
Dass ein neues Lebenszeitalter beginnt, erweist sich am Erscheinen eines neuen Mitarbeiters:
Johann Peter Eckermann. Er wird Goethe, er wird uns fortan begleiten.

Freies Deutsche Hochstift, Frankfurt am Main

01. November 1823
Ankunft der Palmen von Martius mit einer trefflich geschriebenen Einleitung (C. F. Ph. von Martius, deutscher Naturforscher, als Vater der Palmen bekannt – Anm. Red.) … Mittag Madame Szymanowska …

02. November 1823
Betrachtungen über Kunst und Altertum fortgesetzt … Aus dem Büschingischen ( J. G. Gottlieb Büsching, deutscher Archäologe, Germanist – Anm. Red.)
Briefe aufgeschrieben die Stelle über Marienburg. Schema über Martius Palmen. …
Mittag Madame Szymanowska und Geschwister. Nach Tische Pianospiel.

04. November 1823
Einiges in der Campagne von 1792 (autobiographische Schrift – Anm. Red.) gelesen.

05. November 1823
Abschrift des Zelterischen Diariums gefördert. … Das Schwesternpaar (Madame Szymanowska – Anm. Red.) nahm Abschied. … Zeitig zu Bette.

06. November 1823
Vier Porträte von Kügelgen (Gerhard von Kügelgen, deutscher Portrait-Maler – Anm. Red.). Meines, Schiller, Wieland, Herder, in Deutschland und Italien gestochen …

07. November 1823
Abschrift von Zelters Tagebuch geendigt.

08. November 1823
Die Bürgerische Angelegenheit durchdacht. Ingleichen die Ghaselen von Grafen von Platen.

09. November 1823
Bei schlechtem Befinden soviel als möglich die Arbeiten gefördert.

11. November 1823
Demoiselle Seidler Thorwaldsens Bild (Bertel Thorwaldsen, dänischer Bildhauer – Anmerkung der Red.) und einen alten Plan von Rom bringend.

12. November 1823
Dictirt am Bibliotheksberichte. … Nach Tische Herr Staatsminister von Humboldt. Mit Ihm den Nachmittag unter mancherley Gesprächen zugebracht.

13. November 1823
Schillers Briefe an Humboldt zu lesen angefangen.

15. November 1823
Kamen die Enkel mich besuchend und waren sehr artig.

18. November 1823
Die Abschrift von der Reise von 1797 fortgesetzt.

19. November 1823
Genius Jesaias gelesen. … Später Ihro Königl. Hoheit der Großherzog.
Um 1 Uhr beide nach Belvedere.

20. November 1823
Mundirte John (Goethes Diener – Anm. Red.) an Zelters Reise. Staatsminister von Humboldt auf einige Stunden.

23. November 1823
Kein besseres Befinden. Tausend und eine Nacht gelesen. … Herr Professor Zelter kam an.

25. November 1823
Mittags mit Zelter zu Tische. … Nachts im Sessel zugebracht.

26. November 1823
Frühe Herr Professor Zelter nach Jena zum Besuch. … War Eckermann, Hofrath Meyer da.

27. November 1823
An der Schweizerreise von 1797 fortgefahren. … Meyerische Kunstgeschichte weiter gelesen.

29. November 1823
Meyers Kunstgeschichte zu Ende gelesen. … Mit Zelter über Berlinische Verhältnisse. … Zelter war in der Oper: Die heimliche Heyrath, sodann bey Schopenhauers gewesen.

30. November 1823
Briefe revidiert. Manches geordnet. Unterhaltung mit Zelter. … Die Elegie (Marienbader Elegie, Goethes Liebesgedicht bezogen auf den Abschied von Ulrike von Levetzow – Anm. Red.) gelesen und wieder gelesen. … Sodann mit Zelter die Elegie nochmals gelesen.

Gelenau im Erzgebirge

da sei mer dahem

Der Bernd Bräuer Verlag ist ein unabhängiger Klein-Verlag mit Ausrichtung auf Bildbände vor allem über Dichter der Romantik, Bild- und Textkalender vor allem über das Erzgebirge, Wein-Landschaften und Maler / Künstler.