GOETHE und der WEIN

750 Jahre Gelenau: 1273 bis 2023

Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) war ein Weltstar im Dichten und im Denken und ein vortrefflicher Lebenskünstler. Wohl keine Seite seiner Werke und seines Lebens sind unerforscht. Die Bibliotheken, die Buchhandlungen, die Bücherschränke sind voll davon. Auch darüber, was, wie und wann Goethe speiste. Und was er trank – offensichtlich viel und oft Wein.

Der Wein spielt aber nicht nur in Goethes Lebensführung eine wichtige Rolle, sondern durchaus auch in seinem Schaffensprozess und seinem Werk.

In seiner ersten Tagebuch-Eintragung von 1775 heißt es: Ohne Wein kan´s uns auf Erden / Nimmer wie dreyhundert werden/ Ohne Wein u. ohne Weiber/ Hol der Teufel unsre Leiber, woraus er wohl eine von den beglückendsten Maximen seines Lebens formt: Die Liebe zum Wein. Zu den Frauen sowieso. Von Frau von Stein über Christiane Vulpius und Marianne von Willemer bis hin zu Ulrike von Levetzow (1804-1899), um deren Hand Goethe noch im hohen Alter von 74 Jahren anhält. (Daraus ist zwar nichts geworden, aber Goethe dichtet in diesem Schmerz die Marienbader Elegie und die Levetzow verbringt ihr Leben unverheiratet und stirbt als hochbetagtes Stiftsfräulein.)

Zurück zum Wein. Goethe ist ein großer Liebhaber des Rebensaftes. Gelegt ist ihm das schon in die Wiege. Seine Großeltern betreiben eine florierende Gastwirtschaft. Er wächst in einer Weingegend auf – in Frankfurt am Main, wo es einst hieß, dass mehr Wein in den Kellern als Wasser in den Brunnen sei. Seine Eltern besitzen einen Weinberg, der von Goethes Vater selbst bewirtschaftet wird, und tiefe Weinkeller, die stets voll angefüllt sind mit wertvollen Weinen. Da mag Goethe schon als Heranwachsender probiert haben und auf den Wein-Geschmack gekommen sein. In Dichtung und Wahrheit beschreibt er die Weinlese als das Lustigste und am meisten Erwünschte im Jahresverlauf und das Keltern als heitere Beschäftigung.

Schon als 16-Jähriger trinkt Goethe in seiner Leipziger Studien-Zeit (1765-1768) mit seinen Kumpanen viel Wein. Im Faust, Erster Teil, in der berühmten Szene Auerbachs Keller in Leipzig, der schon seit 1525 als Wein-Ausschank genutzt wird, hat er dies mit dichterischer Freiheit und Phantasie nachgestaltet. Seine erste Liebe, Kätchen Schönkopf, lernt er in Leipzig beim Wein kennen.

Als Goethe 1775 nach Weimar übersiedelt, treibt er die erste Zeit gemeinsam mit Herzog Karl August, seinem Arbeitgeber, nicht nur derbe Scherze, sondern man bechert wohl auch kräftig zusammen. Welch nächtliches Gelag am Fuß der Felsenwand?Sie scherzen laut, indessen, bald geleeret, Die Flasche frisch im Kreise wiederkehret – formuliert es Goethe behutsam im Gedicht Ilmenau.

Sein Tageskonsum an Wein pendelt sich später bei einer bis anderthalb Flaschen ein. Manchmal wird es auch mehr. Besonders wenn Gäste kommen – und das geschieht häufig. Er bewirtet sie nicht nur vorzüglich mit guten Weinen, sondern empfiehlt ihnen auch, reichlich davon zur Brust zu nehmen – befördert durch seine geistreichen Trinksprüche wie: Nie Mangel des Gefühls und nie Gefühl des Mangels! Sehr zum Wohle! Goethe verträgt den Wein offensichtlich sehr gut. Begründet ist das wohl vor allem darin, dass er stets dazu gut speist und nur die besten Weine trinkt. Sein Lieblingswein ist der Würzburger. An Christiane schreibt er: Kein anderer Wein will mir schmecken, und ich bin verdriesslich, wenn mir mein Lieblingswein abgeht. Hoch auf der Beliebtheitsskala stehen aber auch die Weißweine von Rhein und Mosel und die Rotweine aus Burgund und Bordeaux. Goethe gibt bedeutende Summen dafür aus, wie sein Tranksteuerbuch deutlich belegt. Fast von selbst versteht es sich, dass sein Weinkeller nicht nur stets gut gefüllt ist, sondern auch seiner edlen Tropfen wegen gerühmt wird: auserlesen, köstlich, von trefflicher Güte – lauten die Urteile. So ist auch nicht verwunderlich, dass Goethes Gäste nicht selten einen köstlichen Wein als Gastgeschenk mitbringen oder – wenn sie nicht selbst nach Weimar kommen – ihm eine köstliche Sendung zukommen lassen. Erfreut hat ihn das wohl immer, zumal er auch gern neue Weine probiert und prüft.

Goethe bezieht seine Weine von Weinhändlern seines Vertrauens, wie die Gebrüder Ramann (Erfurt), Zapf (Suhl), Kraeger (Eisenach) oder Valckenberg (Worms). Zu den Lieferanten gehört aber auch die (groß)herzögliche Hofkellerei in Weimar. Nicht zuletzt belegt die Korrespondenz, die Goethe mit seinen Weinhändlern führt, wie wichtig ihm der Wein für seine alltägliche Lebensführung, für sein Wohlbefinden ist.

 

Goethe schätzt den Wein nicht nur als excellente Würze der Mahlzeit und der ihm zugesprochenen Heilkräfte, sondern schreibt ihm auch produktivmachende Kräfte sehr bedeutender Art, eine die Geselligkeit befördernde Wirkung und die Erhöhung des Lebensgefühls zu – der Wein erfreut des Menschen Herz, und die Freudigkeit ist die Mutter aller Tugenden. Wenn Ihr Wein getrunken habt, seid Ihr alles doppelt, was Ihr sein sollt, noch einmal so leicht denkend, noch einmal so unternehmend, noch einmal so schnell ausführend.

 Goethe trinkt aber nicht nur den Wein, er beschreibt und bedichtet ihn auch (beispielsweise den Eilfer, den vortrefflichen Jahrgangswein 1811). Er fabuliert über den Weinbau und führt Weingespräche. Goethe zeichnet Winzerhäuser und die Weinreben. Auch in Goethes Lyrik ist der Wein präsent: Trunken müssen wir alle sein! Jugend ist Trunkenheit ohne Wein; Trinkt sich das Alter wieder zur Jugend, So ist es wundervolle Tugend. Mit dem Gedicht Der Sänger, der vom König für seinen Gesang durch eine goldene Kette belohnt werden soll, hat Goethe dem Wein ein Denkmal gebaut: Die goldene Kette gib mir nicht. Die Kette gib den Rittern… Ich singe, wie der Vogel singt, der in den Zweigen wohnet. Das Lied, das aus der Kehle dringt ist Lohn, der reichlich lohnet. Doch darf ich bitten, bitt ich eins, lass mir den besten Becher Weins in purem Golde reichen. Er setzt´ ihn an, er trank ihn aus: O Trank voll süßer Labe!

Goethe, Johann Wolfgang, Berliner Ausgabe, 22 Bände. Berlin 1976 bis 1986.
Goethe, Johann Wolfgang, Tagebücher. Gedenkausgabe 28. August 1949. Zürich 1964.

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